Programm

FEMINISTISCHE KRIMIS #2
«Schadenersatz» von Sara Paretsky

Dass der von (männlichen) Autoren und Figuren geprägte Krimi eine kleine Prise Feminismus mehr als verträgt, beweist Sara Paretsky mit ihrem 1982 veröffentlichten Roman «Schadenersatz».

weiter ...

Die toughe Privatdetektivin V.I. Warshawski wird mit der Suche nach einer verschwundenen jungen Frau beauftragt. Diese lösbar erscheinende Aufgabe verwandelt sich jedoch schon bald in die Aufklärung zweier Morde, die auch das Leben der Detektivin selbst in Gefahr zu bringen droht. V.I. Warshawskis Untersuchungen führen sie dabei in der Großstadt Chicago von der Universität durch höchste Chefetagen bis zu bekannten Gesichtern des organisierten Verbrechens. Zwischen Versicherungsbetrug, familiären Auseinandersetzungen und auseinandergenommenen Wohnungen steigert sich eine harmlose Vermisstensuche in eine halsbrecherische Jagd nach Aufklärung.

Spannung ist vorprogrammiert, und Paretsky vermag es, wie nebenbei, dem männlich geprägten Krimi-Genre einen Spiegel vorzusetzen. Aus der Ich-Perspektive der Privatdetektivin erzählt wird V.I. Warshawski allzu oft durch Männer von ihrem entschiedenen Vorhaben abgeraten. Dafür rücken mit der Verschollenen, einer mütterlich fürsorglichen Freundin und einer beistandssuchenden Jugendlichen aber gerade absichtlich Überhörte und Übersehene in den Fokus.

Als Feministinnen treten lediglich die Angehörigen einer Hochschulgruppe in Erscheinung, in selbstgenähten Jeansröcken und allseits kritischer Haltung, auch V.I. Wahrshawski und ihren Ermittlungen gegenüber. So bleibt der Feminismus in «Schadenersatz» ein gleichermassen subtiler wie elementarer – ein diskutabler Begriff und gleichzeitig unumgängliche Notwendigkeit im Dasein als weibliche Protagonistin eines Kriminalromans. Was Paretsky dabei gelingt, ist weniger die Neuerfindung eines Genres, als vielmehr eine produktive Anerkennung: Anerkennung, insofern das Frau-Sein V.I. Warshawskis genauso wenig gerechtfertigt werden muss wie die Genre-Muster, denen sich die Spannung und das Mitfiebern bei Mordfällen verdanken. Und produktiv, da sich so Neues und Bekanntes stets gegenseitig erhellen und die genüssliche Krimi-Lektüre sich ganz nebenbei einiger ihrer verstaubtesten Konventionen entledigt. Ein angeschossener Liebhaber kann im Vergleich zu einem zerbrochenen Glas kaum der Rede wert sein – «Spiegelbilder der geltenden Sozialmoral»?

«Schadenersatz» ist der erste Fall für V.I. Warshawski, die bis heute in zahlreichen weiteren Kriminalromanen Sara Paretskys ermittelt. In der Bibliothek Wyborada finden Sie unter anderem: «Deadlock», «Ihr wahrer Name», «Kritische Masse» und «Eine für Alle».

Sara Paretsky (geb. 1947) ist Mitbegründerin der 1986 ins Leben gerufenen Organisation «Sisters in Crime», die sich der Förderung von Frauen verfasster Krimis widmet.

 

Jakob Reeg (24) ist ehemaliger Hospitant (August/September 2021) und frisch gebackener Bachelor der Literatur-, Kunst- und Medienwissenschaft in Konstanz. Am liebsten liest er aus dem Schatten, den ein Buch am See spendet.