Programm

FEMINISTISCHE KRIMIS #3
Krimi aus den 90er-Jahren: «Sag niemals ja» von J.M. Redmann

Salome Heiniger steht Krimis eher kritisch und vorurteilsvoll gegenüber; kann sie sich nach der Lektüre eines feministischen Krimis doch noch für das Genre begeistern?

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Ich bin, was Krimis betrifft, eine blutige Anfängerin. Ganz zu schweigen von Krimis aus den 90er-Jahren. Meine ersten Erinnerungen setzen irgendwann in den frühen 00er-Jahren ein. Dementsprechend hatte ich nie das Vergnügen, einen Walk-Man in der Tasche zu führen oder eine dehnbare Tattoo-Kette um den Hals zu tragen.

Bezüglich des Genres «Krimi» bin ich etwas voreingenommen: Viele Bilder schwirren in meinem Kopf herum, von pfeifenrauchenden Detektiven mit Wollmützen oder traumatisierten Kommissaren, die zum x-ten Mal böse Verbrecher*innen jagen müssen. Schauermärchen für Erwachsene.

Fairerweise muss ich zugeben, mich nie tiefergehend mit dem Genre «Krimi» auseinandergesetzt zu haben. Stattdessen lese ich lieber feministische Literatur, obwohl sich diese ja auch mit den Misständen unserer Gesellschaft beschäftigen. Warum sollte ich es also nicht mal versuchen? Im Bibliothektsarchiv der Wyborada, stolpere ich schliesslich über einen feministischen Kriminalroman, der mit altbackenen Klischees bricht. Jedenfalls grösstenteils.

Worum geht es? 

New Orleans, 90er-Jahre: Privatdetektivin Micky Knight kämpft nicht bloss gegen das Verbrechen, sondern führt eine toxische Beziehung mit einem grösser werdenden Stapel unbezahlter Rechnungen. Ganz im Gegenteil zu ihrer reichen Freundin. Die finanzielle Ungleichheit und hartnäckige Schatten ihrer Vergangenheit verkomplizieren das Liebesleben der Ermittlerin. Ganz zu schweigen davon, dass sich ein vermeintlich schneller Job als Bodyguard zu einem haarsträubenden Fall entwickelt, der Micky bis in die Tiefen des organisierten Verbrechens in New Orleans führt.

Sozialkritik statt Blutvergiessen

Im dritten Band der Krimireihe wagt Autorin J.M Redmann einen ausgiebigen Blick in die seelischen Abgründe der Menschen, legt den Finger auf ihre Ängste, enthüllt die chronische Einsamkeit der Menschen. Feministische Themen packt sie in eine Kriminalgeschichte und streift dabei manch grosses Thema ihrer Zeit: Rassismus, Queer- und Frauenfeindlichkeit, Machtgefälle zwischen Ober- und Unterschicht, die Schrecken der Aids-Pandemie.

Buch aus der Retroperspektive

Redmann schildert das verzweifelte Versteckspiel, das manche ihrer queeren Figuren spielen müssen, um nicht ihren Job, Spendengelder, Erbschaften oder gar ihr Leben zu verlieren. Damit thematisiert sie in ihrem Roman ein Thema, das in der Mainstreamliteratur der 80er- und 90er-Jahren zu wenig Beachtung fand. Fast 27 Jahre später lesen sich einige ihrer Figuren etwas kritischer (nicht jede lesbische Frau hat eine Katze oder wurde als Kind missbraucht) und die Leserin stolpert über teils etwas schwammigen Konsens in einigen Sexszenen. Zudem wäre eine allgemeine Triggerwarnung angebracht gewesen, denn das Buch thematisiert unter anderem sexuellen Missbrauch an Minderjährigen.

Fazit

Wer auf eine trashige, lesbische Liebesgeschichte mit einer Prise Verbrechen und lilafarbenem Happy End hofft, ist hier definitiv an der falschen Adresse. Redmann hat keinen Roman geschrieben, der trügerische Illusionen weckt: «Recht und Gerechtigkeit sind nicht dasselbe», so die Protagonistin Micky Knight. Ein nüchternes Fazit, ob das so mit mir und Krimis noch was wird? Wir werden sehen.

Das Buch ist 1995 im Argument Verlag + Ariadne erschienen. Es kann – wie viele weiter feministische Bücher – in der Bibliothek Wyborada ausgeliehen werden.

Autorin: Salome Heiniger (24 Jahre alt), ehem. Hospitantin (Oktober 2021), studiert Organisationskommunikation an der ZHAW in Winterthur. Sie geht gerne wandern, setzt sich für eine nachhaltige Zukunft ein und interessiert sich für alles, was mit Literatur zu tun hat.